Spanien – ein Land zum auswandern?


23 Jul 2022 [09:04h]     Bookmark and Share


Spanien – ein Land zum auswandern?

Spanien – ein Land zum auswandern?


Spanien gehört nach wie vor zu den beliebten Auswanderungsländern. Zugleich wandern viele Ausländer aber auch wieder aus.

Laut der Webseite statista.com wanderten im Jahr 2020 langfristig 467.918 Personen nach Spanien ein, während im gleichen Zeitraum 248.561 Personen aus Spanien auswanderten. 2020 war das für Spanien also ein positiver Migrationssaldo/Wanderungssaldo von 219.357 Personen.

Für speziell deutsche Migration ergibt sich ein etwas abweichendes Bild. Zwischen 2012 und 2021 emigrierten offiziell  60.546 Deutsche nach Spanien und 58.907 zogen nach Deutschland zurück. Mehr als 97 Prozent der ausgewanderten Deutschen verließen somit das Land wieder.  Genaue Zahlen hat die Bundeszentrale für politische Bildung.

Für die Rück-Migration gibt es natürlich Gründe. Neben familiären Gründen wie Jobverlust, Scheidung oder Tod eines Familienmitglieds, dürfte es allerdings auch diverse strukturelle Anlässe für das Verlassen oder Rückwandern aus dem Land  sein.

Wer aus Deutschland auswandert ist oft euphorisch, weil im Zielland Spanien so vieles so viel besser scheint. Menschen, die diesen Schritt gehen „stinkt es“ oft einfach in Deutschland und schnell wird alles aufgezählt, was in der Heimat tatsächlich lästig, sinnlos und sonstwie unerfreulich wirkt, einen aber alltäglich begleitet. Dagegen steht die Urlaubserfahrung mit Sonne, Strand, gutem Essen, relaxten Lebensstil und vielem angenehmen mehr in Spanien.

Allerdings wird in Spanien auch nur mit Wasser gekocht und viel Wunschdenken und die Erinnerung an schöne Urlaube dürften nicht selten den Realitätssinn trüben. Was im Urlaub noch so schön wirkte, kann im Alltagsleben schnell zur Last werden. Banale oder auch weniger banale Sachen kumulieren sich manchmal und vermitteln dabei Gefühle, die ins Grübeln geraten lassen. Sei es, dass mancherorts die Mülltonnen jede Nacht um drei Uhr lautstark geleert werden oder man ohne private Zusatzversicherung auch bei Schmerzen im Blinddarmbereich wochenlang keinen Ultraschalltermin bekommt, weil das zugewiesene Arztzentrum selbst solche Geräte garnicht vorhält.

In den sozialen Medien haben wir einige Kommentare und Sachverhalte gefunden, die von Auswanderern als ärgerlich oder hinderlich beschrieben wurden und Auswanderungswilligen zu denken geben sollten:

 

Rechtssystem

Das Rechtssystem wird von vielen als mal mehr mal weniger korrupt und willkürlich bezeichnet. Aber das ist natürlich nicht wirklich messbar und damit nicht statistisch erfassbar. Einzelfälle, die auffliegen mag es geben, aber sonst?

Tatsache ist jedoch, dass das spanische Rechtssystem immer wieder von internationalen Menschenrechtsorganisationen wegen willkürlicher Maßnahmen kritisiert wird.

Auch bei der EU liegt Spanien mit Normenkontrollklagen ziemlich weit vorne. Das sind Klagen weil das EU-Land zwar gerne EU-Geld nimmt, sich ansonsten aber eher öfter mal imperialistisch-spanisch und ganz und garnicht europäisch zeigt. EU-Recht wird nicht selten einfach garnicht oder nur sehr schleppend umgesetzt.

So lehnen viele Behörden und Privatunternehmen EU-Bürger einfach ab, wenn sie kein spanisches Konto für Abbuchungen oder Gehaltszahlungen haben. Aber wofür wurde der IBAN eingeführt? Ganz Europa mit einem immer gleichlangen Code, nur in Spanien muss er nach Behördenmeinung immer mit „ES“ beginnen. Für Betroffene bedeutet das gezwungenermaßen Bankwechsel und Zusatzkosten. Und der Staat kann so auch leichter in die Umsätze schauen und tut das auch.

Umständlich ist auch das Anwaltssystem. Anders als in Deutschland gibt es keine feste Gebührenordnung, die sich am Streitwert orientiert. Anwälte sind weitreichend frei in der Festlegung ihres Honorars. Die gilt es also am besten vorher verbindlich zu vereinbaren, was viele Advokaten jedoch garnicht gerne machen. Und so klagen viele Mandanten über die immer wieder neuen Nachforderungen bei jeder Nachfrage oder Schriftsatz. Es müssen im Streitfall auch immer zwei Honorare bezahlt werden, denn für jeden Schriftsatz eines Anwalts, der bei Gericht eingereicht wird, muss immer noch ein juristisch gebildeter „Bote“, der „Procurador“ eingeschaltet werden. Während in Deutschland die Anwaltskanzlei einen Schriftsatz in Sekunden online an das Gericht übermittelt, hält es Spanien lieber mit dem kostenintensiven mittelalterlichen Procurador. Kleine Bemühungen zur Systemänderungen scheiterten bisher immer an der Lobby dieses altehrwürdigen Berufsstandes.

Als man auf Mallorca vor ein paar Jahren den fliegenden afrikanischen Strassenhändlern mit ihren Louis Vuitton- und anderen Markenimitaten auf Mallorca nicht beikommen konnte, entschloss man sich kurzerhand die Rechtslage zu ändern. Ab sofort galt es diejenigen zu Straftätern zu machen, die solche Fake-Produkte kauften und dabei mit mehreren hundert Euro Strafe so richtig abzusahnen. Durchgeführt wurden die Aktionen von zivilen Polizisten, die in der Nähe der Händler das Treiben und Kaufen beobachteten und so sahen, wo sie zuschlagen konnten: bei den ausländischen Käufern in erster Linie.

Die Maßnahme war einträglich, musste aber nach öffentlichem Druck doch wieder abgesetzt werden denn die betroffenen Touristen merkten schnell, dass man für den Batzen zusätzliches Geld viel besser auch anderswo in Europa und mehr urlauben konnte. Was bleibt ist ein fader Nachgeschmack zum Mentalitätsunterschied. Der Ansatz zeigt eine fragwürdige Gesinnung, von der man zurecht vermuten darf, dass sie sich auch in anderen Bereichen ausbreiten. Das belastet im Alltagsleben trotz Sonne und Paella das Dasein und Wohlgefühl vor Ort.

 

Bankenwesen

Wer einmal ein spanisches  Konto hatte, kann oft Bände erzählen von versteckten Klauseln, plötzlichen Namensänderung des Kontopakets – von dem man ohnehin nie Gebrauch machen wollte – und plötzlichen gigantischen Gebührensprüngen. Einer spanischen Bank sollte man jedenfalls deutlicher und öfter in die Auszüge schauen als man dies schon aus der Heimat gewohnt ist. Aber fürs Gehalt und regelmäßige Abbuchungen muss es eben ein spanisches Konto sein – trotz EU.

 

Verbraucherschutz

Mehr hispanisches als europäisches Denken zeigt sich aber auch in zahlreichen anderen Situationen. Für Migranten ist das oft ein Va-Banque-Spiel mit Überrascbungseffekt. Der Verbraucherschutz bespielssweise ist eher schwach, wenn er überhaupt für manche Sachverhalte existiert. Konsequent durchsetzbar ist er auch nicht. Das nervt. Fast so viel wie die ständigen Werbeanrufe von abwerbenden Telefongesellschaften. Der Staat lässt das zu. Der Umgang mit Daten und der DSGV funktioniert in vielen Fällen überhaupt nicht, weil das Verständnis dafür fehlt. Vieles war eben schon immer so, warum sollte eine Gängelung oder Eingriffe in die Privatsphäre unterbunden werden? Mit Umdenken tut man sich scheinbar schwerer als anderswo.

 

Dennoch gibt es nach wie vor gute Gründe auszuwandern, wie eine Studie der britischen HSBC-Bank von 2019 zeigt: Faktoren wie Klima, Lebensstil und Lebenshaltungskosten wirken sich positiv aus. Zumindest 2019 wurde danach Spanien zum viertbesten Land der Welt für Auswanderer gewählt.

Hier ein paar Gründe:

 

Lebensqualität

Immer mehr Auswanderer gaben an, dass sich ihr psychisches Wohlbefinden nach ihrem Umzug verbessert hat und sie sich glücklicher, gesünder und allgemein besser fühlen. Das Klima scheint also ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität sowie die Tatsache, dass Expats beruhigt sind, dass Spanien auch eines der sichersten Länder der EU ist.

Spanien ist auch offen, wenn es um ausländische Fachkräfte und natürlich Touristen geht, verfügt über ein oft gut bewertetes öffentliches und privates Bildungssystem. Mit der Auswanderergemeinschaft hat sich ein Unterstützungsnetzwerk gebildet, nach dem sich viele Auswanderer bei einem Neustart im Ausland sehnen.

 

Lebenshaltungskosten

Die Lebenshaltungskosten in Spanien sind oft niedriger als in anderen europäischen Ländern, je nachdem, wo man wohnen möchte. Zwischen Düsseldorf und Palma zum Beispiel beträgt der Unterschied etwa 19 Prozent wie Preisvergleiche ergeben haben. Allerdings sind auch die Gehälter oft erschreckend niedriger. Dinge wie Essen gehen, Lebensmitteln sind teils  erschwinglicher als in anderen Ländern. Eher selten jedoch die Mieten. Diese sind gerade in den letzten Jahren ständig gestiegen. Jedenfalls dort, wo viele Einwanderer hinziehen möchten.

 

Kultur & Natur

Liebhaber von Kunst, Geschichte und Kultur werden in Spanien an jeder Ecke Möglichkeiten finden. Auch gibt es viele landschaftlich interessante Regionen und Reisemöglichkeiten. Die Esskultur in Spanien besteht keineswegs nur aus Tapas und Paella. Gastronomie in Spanien ist ein wichtiger Teil des Alltags und bietet viele Überraschungen. Zur Kultur gehören auch viele einzigartige Feste und das Feiern an sich.

 

Soziales Leben

Ein wichtiger Teil der spanischen Kultur ist auch die Geselligkeit. Spanien ist bekannt für sein aufregendes, pulsierendes Nachtleben und für eine gute Work-Life-Balance, die viel Zeit für Freunde und Familie lässt. Nicht ungewöhnlich ist, dass Menschen zwei- oder dreimal pro Woche zusammenkommen, um Tapas zu essen oder zusammen ein Bier zu trinken, ein Lebensstil, der auch viele Auswanderer anzieht.

 

Immobilien

Schwierig gestaltet sich das Thema Immobilien. Spanien hat zwar viel Auswahl, wenn es darum geht, ein Zuhause zu finden. Allerdings sind die Preise in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Zu den besten Wohnorten in Spanien für Expats zählen unter anderem die Balearen, die Kanarischen Inseln, Madrid und Alicante. Aber wer berät wirklich sachlich und interessenfrei?

Ganz anders als in Deutschland ist beispielsweise das Maklerwesen. Jeder kann sich Makler nennen, der einmal eine Wohnung vermittelt hat. Auf Mallorca berechnen die meisten spanischen Makler bei Mietwohnungen eine Monatsmiete, britische Makler nehmen oft zwei und deutsche gerne drei Monatsmieten als Honorar bei Vermittlung von Mietwohnungen. Die Courtage geht fast immer zu Lasten des Mieters. Er zahlt hier als Dritter für das Geschäft, das der Vermieter und der Makler vereinbart haben. Obwohl es sehr einfach ist eine Anzeige als Vermieter selbst auf den einschlägigen Webseiten zu platzieren und auch einen Standardmietvertrag aus dem Internet zu nutzen, bedienen sich viele Vermieter gerne eines Maklers. Zahlen tut ja ohnehin der Mieter hinterher. Die Kaution bei Mietobjekten beträgt in vielen Fällen eine Monatsmiete.

Anders als in Deutschland ist hingegen der Umstand, dass man als Mieter auch verhandeln kann, versuchen sollte man es jedenfalls.

Beim Kauf sieht alles anders aus und es gibt es zahlreiche Fallstricke. So sollte man auf jeden Fall darauf achten, dass für das gekaufte Objekt auch eine Baugenehmigung vorgelegen hatte denn illegal erstellte Häuser werden mancherorts von den Behörden auch nach vielen Jahren radikal wieder abgerissen, egal wie schön oder passend sie sind oder wer wie lange darin schon wohnt. Wie auch in Deutschland muss der Kauf einer Immobilie notariell vorgenommen werden. Die Maklercourtage sollte in jedem Fall in einem Vermittlungsvertrag schriftlich festgehalten werden.

 

Gesundheitswesen

Deutlich seltener als in Deutschland scheint man Krankenwagen mit Sirene zu hören weil nicht überall genügend davon vorhanden sind. Wer schon einmal erlebt hat wie es ist, nach einem Radunfall mit gebrochenem Bein eine Stunde bei über 30 Grad am Strassenrand sitzen zu müssen, um auf einen Krankenwagen zu warten, weiß wie Spanien sein kann.

In Spanien stehen allen Bürgern und damit auch Auswanderern sowohl öffentliche als auch private Gesundheitssysteme zur Verfügung. Das öffentliche System bietet denjenigen, die durch Anstellung oder Selbständigkeit zum spanischen Sozialversicherungssystem beitragen  selbst und ihren Familien eine kostenlose Grundversorgung, allerdings mit diversen Überraschungen und Eigenbeteiligungen.

Wer sich allein auf das staatliche Gesundheitssystem verlässt fühlt sich oft im Stich gelassen. Ohne eine private Zusatzversicherung gibt es keine freie Arztwahl sondern das nächste Gesundheitszentrum mit zugewiesenen Ärzten in Minimalausstattung.

In den Behandlungszimmern sollte man jedenfalls in Palma de Mallorca kein Ultraschall wie in fast jeder deutschen Kassenpraxis erwarten. Überhaupt im ganzen Zentrum nicht. Da muss ein Nachgucken nach einer Entzündung des Blinddarms schon mal vier Wochen warten bis das örtliche Krankenhaus anruft und einen Termin anbietet. Nur wer sich zusatzversichert – trotz überwiegend deutlich niedrigerem Gehaltsniveau – hat bessere medizinische Perspektiven. Es gibt zahlreiche Privatkassen, auch deutsche, die Versicherungen auf die Kundenbedürfnisse anbieten. Wer angestellt ist oder sich als Selbständiger anmeldet wird automatisch bei der staatlichen Kranken- und Sozialkasse versichert, der „seguridad social“. Selbständige sollten sich dort individuell beraten lassen.

 

Kleine Bilanz

Dies sind nur einige der Kriterien, die man sich vor Augen halten sollte wenn man die Auswanderung nach Spanien erwägt. Natürlich sind es in erster Linie persönliche Gründe, die bei dieser Entscheidung eine Rolle spielen. Und grundsätzlich gilt wie immer auch hier: Je besser die Kasse gefüllt ist, umso einfacher kann man Probleme umschiffen.

Spanier selbst gehören laut internationalen Statistiken übrigens auch keineswegs zu den glücklichsten Menschen in Europa. Auch im jährlichen „World Hapiness Report“, bei dem Deutschland an 14. Stelle der glücklichsten Menschen steht liegen die Spanier weit abgeschlagen bei Position 29. Eine Tatsache, die ins Grübeln und ins genaue Abwägen bringen kann – und sollte.

 

 

 

 

Bausubstanz

oder in vielen Strassen sich Kabelsalat von Haus zu Haus hangelt und für ein WLAN-Anschluss gar manchmal ein Zusatzkabel zur Fensterbank installiert wird und der Fensterrahmen durchbohrt werden muss, um die Box ins Haus zu bekommen.

 





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